Mit diesem Konzert gedenken wir der Reichspogromnacht und würdigen das bemerkenswerte kulturelle Schaffen jüdischer Künstlerinnen und Künstler, das trotz der repressiven Politik des NS-Regimes in Deutschland fortbestand. Im Mittelpunkt steht der „Kulturbund Deutscher Juden“, der 1935 gezwungenermaßen in „Jüdischer Kulturbund“ umbenannt wurde. Bereits kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten bot der Kulturbund eine der letzten Möglichkeiten für jüdische Kunstschaffende, künstlerisch tätig zu bleiben und Arbeit zu finden. Gleichzeitig ermöglichte er der jüdischen Bevölkerung, Kunst und Kultur weiterhin in einem geschützten Rahmen zu erleben. Die erste Gründung erfolgte in Berlin, bald darauf folgten weitere in Köln, Frankfurt und Hamburg. 1941 wurde der „Jüdische Kulturbund“ schließlich von den Nationalsozialisten verboten. Die Veranstaltung verbindet das Informative, das durch die Lesung vermittelt wird, mit dem Musikalischen, das zwischen den Texten erklingt. Musikalisch möchten wir Werke von Komponisten präsentieren, die dem Kulturbund verbunden waren, in den damaligen Konzertprogrammen vertreten wurden oder – wie im Fall von Karl Wiener – der als Dramaturg eine Funktion im Berliner Kulturbund innehatte.
Ein besonderes Highlight dieses Konzerts wird die Uraufführung von Wieners Quintett (1934) sein, dessen Manuskript sich im Archiv der National Library of Israel befindet. Das Original ist teilweise in einem sehr schlechten Zustand und muss erst in eine lesbare Notation übertragen werden.
Karl Wiener wurde 1943 im Konzentrationslager ermordet, und sein musikalisches Erbe drohte in Vergessenheit zu geraten. Die erstmalige Aufführung dieser Komposition nach 91 Jahren ist ein künstlerisches und historisches Ereignis. Neben seiner Musik werden weitere Werke von Komponisten erklingen, die einst in den Konzertprogrammen des Kulturbunds präsentiert wurden.
Die Lesungen von Jochen Deuticke bieten anhand der wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Sylvia Rogge-Gau, Gabriele Fritsch-Vive sowie weiterer Recherchen einen tiefen Einblick in die Aktivitäten und den Überlebenskampf des Jüdischen Kulturbunds in Berlin – stellvertretend für alle weiteren Kulturbünde im gesamten Land.
